Promotion Speech
by
Professor Dr. W. C. Brøgger
Die Promotion von Ehrendoctoren, welche heute stattfinden soll, ist die erste, die in der Geschichte unserer Universität stattgefunden hat, sowie die erste, die seit beinahe 60 Jahren gesetzlich stattfinden konnte.
Das Universitätsgesetz von 1824 enthielt zwar eine Bestimmung, welche den Doctorgrad ohne vorhergehende Prüfung ”als besondere Anzeichnung” mitzutheilen erlaubte. Dieses Recht wurde aber wieder von dem Storthing durch das neue Universitätsgesetz von 17. Septb. 1845 aufgehoben.
Eine derartige Bestimmung durfte für Fremde, die unsere Rechtsauffassung nicht kennen, gewiss ein wenig sonderbar aussehen, da es wohl sonst in der ganzen Welt kaum eine einzige Staatsuniversität existiren dürfte, welche nicht das Recht dazu besitzt, verdiente Gelehrte zu Ehrendoctoren zu promoviren. Diese Bestimmung ist aber innig verknüpft mit der ganzen in der norwegischen Gesetzgebung im Allgemeinen geltenden Auffassung, daß irgend welcher Titel und Rang, der nicht mit einem bestimmten Amt oder einer bestimmten Aufstellung im Dienste des Staates verbunden ist, nicht statthaft oder gestattet ist.
Als die Universität nun zum ersten Mal seit ihrer Stiftung Repräsentanten für die wissenschaftlichen Institutionen des Auslandes einladen sollte, wünchte sie bei dieser in ihrer Geschichte Alleinstehenden Gelegenheit auch eine Anzahl hervorragender Forscher als Ehrendoctoren an sich zu knüpfen, als eine Ehre nicht weniger für die Universität selbst als für das Andenken des großen verstorbenen, dessen Gedächtnissfest in diesen Tagen gefeiert wird. Der akademische Senat ersuchte deshalb Regierung und Storthing um Erlaubniss dazu, eine begrenzte Anzahl fremder Gelehrten zu Ehrendoctoren zu ernennen.
Nach dem Vorschlag der Regierung hat dann unsere Reichstag, das Storthing (am 6ten Mai) durch ein besonderes Gesetz beschlossen, bis auf weiteres der Universität, das ersuchte Recht zu gestatten; dies Gesetz welches von der Regierung am 3ten Juni d. J. sanctionirt wurde, hat den folgenden Wortlaut:
”Jede Facultät kann mit der Genehmigung des academischen Senates ohne vorhergehende Prüfung ausländischer Männer oder Weiber von anerkannten wissenschaftlichen Verdienst zu Ehrendoctoren ernennen”.
Die somit erhaltene Erlaubnis zum ernennen von Ehrendoctoren enthält erstens die Begrenzung, daß es nur gestattet ist Ausländer als Ehrendoctoren zu promoviren.
Ferner wurde im Laufe der Debatte am Reichstag ausdrücklich hervorgehoben, daß eine weitere Voraussetzung sei, die somit der Universität gestattete Ausnahmserlaubniß dürfe nur in sehr beschränkter Ausdehnung benützt werden.
Unter Bezugnahme auf diese Voraussetzungen hat alsdann die math-natur-wissenschaftliche Facultät beschlossen, bei der Feierung des Abeljubiläums eine Anzahl Ehrendoctoren zu ernennen. Die Facultät bestimmte zuerst durch eine Entscheidung der generellen Principen einer derartigen Promotion, erstens ausschließlich Mathematiker, zweitens von diesen nur eine sehr beschränkte Anzahl als Ehrendoctoren zu ernennen; endlich wurde es auch bestimmt, daß mehr zusällige Umständen z. B. Anwesenheit bei den Jubiläumsfeierlichkeiten kein entscheidender Gewicht bei der Wahl zugeschrieben werden dürfte, indem die Hauptsache sein müsste nur die consensu omnium hervorragendsten zur Zeit lebenden Mathematiker dieser Auszeichnung zu verehren.
Ein Besonderes aus sämmtlichen anwesenden Mathematiker der Facultät zusammengesetztes Comité hatt dann nachträglich im Ganzen 29 der am meisten angesehenen Mathematiker des Auslandes zur Promotion vorgeschlagen; diese Auswahl wurde von der Facultät und später vom academischen Senat (30/8?) acceptirt. Die Facultät hatte ferner beschlossen, die auserwählten 29 Ehrendoctoren als doctores mathematicae zu promoviren, ein Vorschlag, welcher ebenfalls von dem academischen Senats sanctionirt wurde.
Infolge dieser Beschlüsse ist es somit, daß ich heute als doctores mathematicae die hervorragenden Forscher, deren Namen ich im folgenden nennen soll, zu promoviren habe.
Ich muß aber bei dieser Gelegenheit im voraus ausdrücklich darauf aufmerksam machen, daß diese Ceremonie infolge unserer Sitte bei unserer Universität in ganz anderes einfachen Formen stattfinden muß , als diejenigen, welche anderswo in der Welt bei einer derartigen Gelegenheit üblich sind.
In voller Uebereinstimmung mit der in unserem Lande herschenden demokratischen Grundbetrachtung existirt nämlich bei uns kein ausseres Insignium entweder durch eine besondere Kleidung oder in anderer Weise um academische Würdigkeiten oder Grade zu bezeichnen. Ebenso wenig wie der Rector der Universität oder ihre Professoren selbst irgend welche amtliche Tracht besitzen, ebenso wenig sind für die bei unserer Universität ernannten Doctoren oder – nach diesem Tag – Ehrendoctoren eine besondere Doctorkleidung oder andere aussere Zeichen um die Doctorwürde zu bezeichnen festgestellt.
Die Ceremonie, die jetzt stattfinden soll, wird somit ganz schlicht und einfach ausschließ lich darin bestehen, daß ich in der Eigenschaft von Promotor einem jeden der anwesenden Doctoranden ein Pergamentdiplom als Zeichen der Doctorwürde überreiche; ein ähnliches Diplom wird gleichzeitig in absentia den abwesenden zugestellt.
Ich kann nicht umhin im Nahmen der norwegischen Universität hinzufügen, daß diese Ernennung einer Anzahl hervorragender Gelehrten zu Ehrendoctoren unserer Universität, obwohl dieselbe in den mäglichst einfachen Formen ohne jede ansprüchsvolle Ceremonie stattfinden wird, trotzdem von uns als der hächste Ausdruck unserer Hochachtung und Bewunderung für diejenigen Forscher, die wir in dieser schlichten Weise zu verehren wünschten, beabsichtigt ist. Und wir hoffen ferner, der Umstand daß die Voranlassung zu dieser Ehrenbezeigung der Wunsch war, mit dem hächsten Ruhm das Andenken des gräßten Geistes, der jemals von unserer Universität ausgegangen und an dieselbe geknüpft gewesen ist, zu feiern, – dieser Umstand, daß die jetzt statzufindende Doctorpromotion am innigsten mit dem Namen von Niels Henrik Abel verbunden ist, wird, hoffen wir, den Ehrentitel von doctor mathematicae an unserer Universität auch für diejenigen Forscher, welche denselben heute emfangen werden, geschätzt und lieb machen; ich muß dann auch noch wiederholt daran erinnern, daß die genannte Ehrenbezeigung einem besonderen für diese Gelegenheit vom Staate gegebenen Gesetz zu verdanken ist.
So wende ich mich dann jetzt besonders an diejenigen auserwählten Gelehrten, auf die ich im Nahmen unserer Universität die Ehre haben werde, diese hächste Auszeichnung, über welche dieselbe gebietet, zu übertragen.
Die Wissenschaft ist international, und vor allen Wissenschaften die Mathematik. Wie wissen deshalb, daß alle Ihr, die Ihr heute beisammen als Doctores mathematicae unserer Universität promovirt werden sollen, Euch als einer häheren Geistesgenossenschaft angehärig fühlen werden, welche, gleichwie in häherer Potenz, die hervorragendsten Repräsentanten der Herrschaft des Geistes zusammenfaßt, eine Verbindung, unabhängig von politischen Grenzen, von Zeit und Raum alle diejenigen vereinigend, welche das gemeinsame Interesse, die gemeinsame Aufgabe haben, nach den großen Wahrheiten zu suchen, die nach und nach in ferner Zukunft dem Menschengeiste den Zusammenhang der Weltordnung und die Gesetze des Weltalles entdecken werden.
Ihr Reich, das Reich der Denker, ist hoch erhoben über die kleine Reiche des winzigen Pünktchens im Weltall, daß wir unsere Erde nennen. Ihr Fahrzeug bevegt sich am bodenlosen Ocean der Gedanken ebenso leicht unter dem Druck der ungeheuren Schwere des Unendlichen als mit dem leichten Ballast des Richts auf der Entdeckungsreise nach unbekannten Welten, deren Existenz im Raume sie voraus berechnet haben. Und wenn sie an ihrer Fahrt ihren Cours längs einer geraden Linie in positiver Rechtung fortsetzen, wissen sie, daß sie in unendlicher Ferne genau ebenso weit kommen werden, als wenn sie in gerade entgegengesetzten Richtung ebenso weit gefahren hätten; denn ihre unendliche gerade Linie ist ein Cirkel, und zwar kein circulus vitiosus.
Sie berechnen die Existenz unbekannter Kräfte und Welten, sie sehen ohne Auge, sie wägen ohne Wage, gleichgiltig, ob es Sterne oder Atome sind, auf die Dimensionen kommt es Ihnen dabei nicht an, ja selbst die Anzahl der Dimensionen sind für sie nicht die gewähnlichen bei anderen Sterblichen, sondern eine unermeß liche. Und unermeßlich sind auch die Ziele und die Grenzen ihres Denkens.
Wir wissen wohl, Ihr bedürft nicht äusserer Insignien und Zelchen als Beweise, daß Sie dieser Genossenschaft der Pioniere des Menschengeistes angehärig sind; denn ihre Gedanken und ihre Werke sind ihr Adelsbrief; für uns aber, für unsere Universität und unser Land, ist es lieb und ist es ein Ruhm, Männer wie Ihr an uns geknüpft zu wissen, und es ist deshalb als eine Ehre für uns selbst, daß wir davon antragen, Euch an diesem Tage verehren zu durfen. Unsere Universität ist klein und unansehnlich verglichen mit den großen Kulturcentren der Welt; unser Ziel ist aber dasselbe wie bei diesen, und der Weg gegen Licht und Wahrheit derselbe für uns als für sie.
Aus diesem Gefühl des Bruderschaft des Geistes ist es deshalb auch daß wir bitten, Ihr wollet unsere Brüder sein und somit auch die Berehrung, die wir Euch widmen wollen, mit denselben Gefühlen empfangen, mit denen wir Ihnen jetzt die hächste Ehrenwürde unserer Universität übergeben wollen.
Quod bonum, felix, faustumque sit!
[Copied from Aftenposten September 6, 1902.]