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1 Ein universeller Mikroprozessor: Der Motorola MC6809
1.1 Einleitung
Der eingesetzte Praktikumsrechner gehört zur Klasse der "Einplatinen-Computer", die mit einer Minimalausrüstung an Komponenten versehen sind und dem Benutzer einfache Hilfsmittel zur Programmerstellung in Maschinencode bieten. Sie verfügen meist über eine Hexadezimaltastatur, eine mehrstellige 7-Segmentanzeige und ein Interface zum Anschluß an einen PC. Sie werden wegen ihrer Einfachheit und der Möglichkeit, mit ihnen Anwendungssoftware zu entwickeln, als "Entwicklungskits" bezeichnet. In der Vergangenheit war ihre Bedeutung mit der Verbreitung universeller oder spezieller Entwicklungssysteme zeitweise gesunken. Diese Systeme verfügen über eine ASCII-Tastatur, über einen Bildschirm, über Floppy-Disk- oder Harddisk-Speicher und eine große Palette von Software-Entwicklungshilfsmittel.
Dazu gehören in der einfachen Ausführung (Macro-Cross-)Assembler, Linker, Lader und Editoren, sowie auch Compiler für höhere Programmiersprachen, hauptsächlich C. Viele von ihnen sind heute als PC-gestützte Geräte realisiert. Durch den
Einsatz von Simulatoren können Programme für den Zielprozessor auf diesen Systemen ausgetestet werden. Durch den Einsatz von (Hardware)
Emulatoren ist es möglich, diese Programme im Zielsystem, aber durch den (bzw. einen) Prozessor
des Entwicklungssystems ausführen zu lassen. In den letzten Jahren haben die Entwicklungskits wieder eine größere Bedeutung gewonnen, da ihr platzsparender und modularisierter Aufbau auch den kostengünstigen Einsatz in Kleinserien zuläßt.
Die Hauptforderungen an ein für den Einsatz in diesem Praktikum geeigneten Mikrorechner waren:
- Einsatz eines modernen, leistungsfähigen
8-bit-Prozessors, Hexadezimaltastatur und 7-Segmentanzeige,
- leichte Bedienung über einen einfachen Monitor
im Festwertspeicher (EPROM), (mit Monitor wird in der Regel ein rudimentäres Betriebssystem zur Bedienung der Rechnerkomponenten bezeichnet,)
- V24-Schnittstelle zum Anschluß eines Terminals
oder anderer Peripheriegeräte (Drucker etc.), dazu Terminalprogramm im Monitor,
- ein Interface zum Anschluß und zur Benutzung
eines IBM-kompatiblen PCs,
- Ausbaufähigkeit des Systems auf maximal
64-kbyte-Arbeitsspeicher auf der Platine, d.h. ohne die Benutzung einer Zusatzplatine,
- gepufferter Systembus als Erweiterungsschnittstelle
für den Anschluß weiterer, externer Systemeinheiten,
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- 8 bit breiter Eingabe/Ausgabe-"Port"
zur Verbindung mit Schaltungen auf einem Experimentierboard.
- Benutzung von Standard-Peripheriebausteinen,
wie PIO (Parallel-Eingabe/Ausgabe-Baustein), UART (universeller, asynchroner, serieller Sender/Empfänger-Baustein), Timer (Zeitgeber/Zähler-Baustein).
Da Ihnen für die Arbeit mit dem Mikrorechner im Praktikum nur sehr wenig Zeit zur Verfügung steht,
während der einer der modernen, universellen 16/32-bit-Prozessoren auch nicht annähernd erschöpfend
behandelt werden kann, verbot sich von vorneherein deren Einsatz. Aus diesem Grund fiel die Wahl
auf den Typ Motorola MC6809. Er ist wohl einer der leistungsfähigsten Vertreter der 8/16-bit-Klasse.
Ihn zeichnen vor allem die folgenden Punkte aus, die im Abschnitt 1.3 ausführlich dargestellt werden:
- 1464 verschiedene Instruktionen,
- 10 "mächtige" Adressierungsarten,
(das ist der vollständigste Satz unter allen 8-bit-Prozessoren,)
- 16-bit-Arithmetik,
- Befehl zur vorzeichenlosen 8x8-bit-Multiplikation,
- Programmzähler-relative Adressierung, wodurch
eine "verschiebliche" Programmierung des Prozessors unterstützt wird, d.h. ein geschriebenes Programm kann ohne Änderung an verschiedenen Stellen im Speicher laufen (position independent).
- Ansprechen von Eingabe/Ausgabe-Komponenten wie
gewöhnliche Speicherzellen (memory-mapped-I/O), deshalb keine besonderen Ein/Ausgabe-Befehle,
- softwaregesteuerte Unterbrechungsmöglichkeiten.
Durch die genannten Punkte ist der Prozessor sowohl für die Ausführung von Programmen, die in einer höheren Programmiersprache geschrieben wurden, wie auch für Steuerungsaufgaben bestens geeignet.
Ziel der Kapitel 1 bis 3 ist es, Sie mit
der Bedienung des Gerätes vertraut zu machen und Ihnen die Komponenten des Minimalsystems im Detail zu erklären. Dazu gehören der Prozessor selbst, das Bussystem, der Speicher sowie die Tastatur und die Anzeigeeinheit.
In den Kapiteln 4 und 5 folgt dann die Beschreibung der etwas spezielleren Komponenten, des
Portbausteins, des seriellen Schnittstellen-Bausteins sowie des Zeitgeber-/Zählerbausteins.
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