6.3.3 Differentialgleichungen vom Fuchsschen Typ
Eine wichtige Klasse von (homogenen) linearen Differentialgleichungen zweiter Ordnung liegt vor,
wenn die Koeffizientenfunktionen Polynome in der Variablen
sind
Diese Differentialgleichungen werden, nach Multiplikation mit
, meist in der
Form
diskutiert, wobei die Funktionen
gebrochen rationale Funktionen
sind. Sind diese Funktionen nur schwach singulär, was im
Klartext bedeutet, dass sie durch die Partialbruchzerlegungen
mit konstanten Größen
dargestellt werden
können, so bezeichnet man die Differentialgleichung als eine Differentialgleichung
des Fuchsschen Typs. Die besondere Bedeutung dieser Klasse von Differentialgleichungen
ergibt sich aus der Tatsache, dass alle für die theoretische Physik
wichtigen, höheren Funktionen (Legendrefunktionen, Besselfunktionen,
konfluente hypergeometrische Funktionen, etc.) durch Differentialgleichungen
dieses Typs definiert werden. Die allgemeine Lösungsmethode ist die
Potenzreihenentwicklung, die hier an einem Beispiel vorgestellt werden
soll, das jedoch nicht auf die Diskussion der höheren Funktionen Bezug
nimmt.
Die Aufgabe lautet: Bestimme die allgemeine Lösung der Differentialgleichung
Der Ansatz für die Lösung ist eine Potenzreihe in
multipliziert mit einer beliebigen
Potenz von
Der zusätzliche Faktor
dient dazu, mögliche Abhängigkeiten wie
,
etc., die einen Potenzreihenansatz komplizierter machen würden, abzufangen.
Geht man mit dem Ansatz in die Differentialgleichung ein (dazu muss
und
berechnet werden) und sortiert nach Potenzen von
, so erhält man
Hat eine Potenzreihe den Wert Null für alle Werte der Variablen, so
müssen alle Koeffizienten der Potenzreihe verschwinden
Betrachtung der obigen Koeffizienten liefert die Aussagen
Für die Wurzel
der Indexgleichung lautet die Rekursionsformel
Mit der Auflösung
folgt daraus die Potenzreihe (
)
Die erste Frage, die ansteht, ist die Frage nach dem Konvergenzradius
dieser Potenzreihe. Im Weiteren müssten die Eigenschaften der Funktion,
die durch diese Potenzreihe definiert ist, im Detail untersucht werden.
Die zweite Lösung der Differentialgleichung (für die Wurzel
) mit der expliziten
Rekursionsformel
ist
Es stellt sich heraus, dass der Konvergenzradius beider Reihen
unendlich ist. Innerhalb des Konvergenzbereiches ist dann die
allgemeine Lösung der Differentialgleichung
(lineare Unabhängigkeit vorausgesetzt)
Sind die Koeffizientenfunktionen der (homogenen) linearen Differentialgleichung
keine Polynome, so existiert kein allgemeines Lösungsrezept. Unter
Umständen kann man mittels geeigneter Variablensubstitution die
Koeffizientenfunktionen in Polynomform bringen. Ein wichtiges Beispiel
ist die Legendresche Differentialgleichung für eine Funktion
,
wobei
der Polarwinkel der Kugelkoordinaten ist.
Die Differentialgleichung
mit Parametern
und
, wird durch die Substitution
in die Differentialgleichung
übergeführt. Die Funktion
ist eine Funktion von
und es gilt
. Bei der Umschreibung wurden,
auf der Basis der Kettenregel, die Relationen
benutzt.
Wie die Legendreschen Funktionen (mit dem wichtigen Spezialfall der
Legendreschen Polynome) werden die meisten speziellen Funktionen der
mathematischen Physik über Differentialgleichungen vom
Fuchsschen Typ definiert
.
< Mechanik Mathematische Ergänzungen > R. Dreizler C. Lüdde 2008