3.1.4 Ergänzungen II: Schiefwinklige Koordinatensysteme und Verallgemeinerung

Ein dreidimensionaler Raum kann auch von drei beliebigen Basisvektoren, die nicht in einer Ebene liegen oder zusammenfallen, aufgespannt werden (Abb. 3.15). Das Grunddreibein ist nicht orthogonal, auch müssen die Basisvektoren nicht auf normiert sein.

Abbildung 3.15: Schiefwinkliges Koordinatendreibein

Zur Charakterisierung des Raumes benutzt man auch hier die Skalarprodukte


Da die Skalarprodukte kommutativ sind, gilt


somit gibt es 6 unabhängige Größen. Die Größen charakterisieren die Länge der Basisvektoren. Die Größen mit charakterisieren die relative Lage . Man bezeichnet diesen Satz von Größen aus diesem Grund als den metrischen Tensor. Ein kartesisches Koordinatensystem ist ein Spezialfall mit


In einem schiefwinkligen Koordinatensystem kann man für einen beliebigen Vektor zwei verschiedene Komponentenzerlegungen angeben. Die Abbildungen geben die Situation der Übersicht wegen in der zweidimensionalen Welt wieder, die Formeln entsprechen jedoch der dreidimensionalen Welt.

  1. Man kann einen Vektor senkrecht auf die Koordinatenrichtungen projizieren und zwar mit


    In diesem Fall gilt


  2. Man kann den Vektor in Vektoren parallel zu den Koordinatenachsen zerlegen


Die zwei möglichen Zerlegungen eines Vektors



bezeichnet man als die Zerlegung in kovariante (untere Indizes, Abb. 3.16a) und kontravariante (obere Indizes, Abb. 3.6b) Komponenten.

Abbildung 3.16: Zur Zerlegung eines Vektors in Bezug auf ein schiefwinkliges Koordinatensystem

Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen den Komponentenzerlegungen kann man folgendermaßen beantworten:

Aus der kontravarianten Zerlegung folgt


das heißt


Die beiden Zerlegungen sind durch den metrischen Tensor miteinander verknüpft.

Zur expliziteren Charakterisierung des Zusammenhangs führt man ein reziprokes Koordinatensystem ein (Abb. 3.17), das durch


definiert ist.

Abbildung 3.17: Reziprokes Koordinatensystem: ergibt

Der Ausdruck im Nenner ist ein Spatprodukt. Die Vektoren (obere Indizes) stehen jeweils senkrecht auf den Ebenen, die durch die zyklischen Ergänzungen des ursprünglichen Koordinatensystems aufgespannt werden. Es gilt deswegen


Für den Fall ist die Antwort offensichtlich, für den Fall genügt die Betrachtung eines Beispiels, um das Muster anzudeuten. Es ist


da das Vektorprodukt eines Vektors mit sich selbst verschwindet.

Alternativ kann man die Basisvektoren des reziproken Systems nach den Basisvektoren des ursprünglichen Systems entwickeln


Zur Bestimmung der Entwicklungskoeffizienten bildet man


Daraus folgt


sowie



oder


Die Entwicklungskoeffizienten bilden den metrischen Tensor des reziproken Systems. Das Argument zeigt auch, dass dieser nicht unabhängig von dem metrischen Tensor des ursprünglichen Systems ist, sondern durch diesen eindeutig bestimmt ist (6 unabhängige Gleichungen für 6 Größen). Die Bezeichnung reziprokes System impliziert, dass die Umkehrung


gilt, doch soll diese Aussage nicht demonstriert werden.

Die kontravarianten Komponenten sind die Komponenten eines Vektors in Bezug auf die ursprüngliche Basis, die kovarianten Komponenten sind die Komponenten eines Vektors in Bezug auf die reziproke Basis


denn es gilt


Für ein Skalarprodukt von zwei Vektoren , existieren somit drei mögliche Formen



Dies beinhaltet (wie man auch direkt zeigen kann), dass


ist. Mit Hilfe des metrischen Tensors (oder seines reziproken) kann man die Zerlegungen ineinander umrechnen.

Zur Darstellung der Aussagen der klassischen Mechanik genügen kartesische Koordinatensysteme. Es gibt jedoch zwei Bereiche der Physik, in denen die Benutzung von schiefwinkligen Koordinatensystemen gefragt ist:

(i)
Die Kristallphysik, in der die Koordinatensysteme an die Kristallstruktur angepasst werden.
(ii)
Die (spezielle) Relativitätstheorie, in der Raum und Zeit zu einer Einheit zusammengefasst werden müssen. In dem entsprechenden vierdimensionalen Raum sind die Basisvektoren zwar immer noch orthogonal, die Metrik weicht jedoch von der Euklidischen Form ab.
In beiden Fällen ist die Unterscheidung zwischen ko- und kontravarianten Komponentenzerlegungen notwendig.


< Mechanik     Mathematische Ergänzungen >       R. Dreizler   C. Lüdde     2008