3.2 Quantitative Fassung der Vektorrechnung

Eine quantitative Fassung der Konzepte des vorherigen Abschnittes gewinnt man, wenn man die Vektoren auf ein gegebenes kartesisches Koordinatensystem bezieht (Abb. 3.8).


Abbildung 3.8: Koordinatensystem und Koordinatendreibein

Man kann ein solches Koordinatensystem durch ein Dreibein von Einheitsvektoren[*] aufspannen. Diese Vektoren (oder alternativ ) werden durch die folgenden Relationen charakterisiert


In der letzten Zeile ergeben sich mit dem Kommutativgesetz zusätzliche Relationen. Zur Abkürzung dieser Vorgaben benutzt man das Kroneckersymbol


Die neun Skalarprodukte der Einheitsvektoren kann man mit Hilfe dieses Symbols in der Form



schreiben. Dieser Satz von Relationen besagt, dass die drei Einheitsvektoren paarweise senkrecht aufeinanderstehen (orthogonal sind) und jeweils die Länge (den Betrag) haben (auf normiert sind). Die Festlegung der wechselseitigen Orientierung zu einem rechtshändigen Koordinatensystem wird durch die Vektorprodukte


ausgedrückt. Die Reihenfolge der Indizes entspricht zyklischen Vertauschungen (Permutationen) der Zahlen . Es gilt natürlich auch


Die neun Vektorprodukte werden ebenfalls in einer kompakten Form zusammengefasst



Der Faktor in der Vektorsumme ist das Levi-Civita Symbol. Es hat die Eigenschaften


Von den Kombinationen der Indizes ergeben die , drei die und drei die . Die Verwendung des Symbols erscheint also eher umständlich als nützlich. Es stellt sich jedoch durchaus als brauchbar heraus.

Mit den obigen Angaben ist der (dreidimensionale) Euklidische Raum (mit der Standardbezeichnung oder ) definiert[*]. Zur quantitativen Fassung der Vektorrechnung projiziert man zunächst einen Vektor mit Hilfe des Skalarproduktes auf die Koordinatenachsen


Die Bezeichnung ist bei Nutzung der Summenschreibweise angebracht, sie entspricht natürlich der Standardform . Man kann, umgekehrt, den Vektor wieder aus den Projektionen zusammensetzen


Man bezeichnet einen solchen Ausdruck als die Zerlegung eines Vektors in seine kartesischen Komponenten.

Die Komponenten eines Vektors (Abb. 3.9) (dessen Anfangspunkt im Koordinatenursprung liegt) sind identisch mit den Koordinaten des Endpunktes des Vektors. Man schreibt deswegen auch


Vektoren im werden durch die Angabe von Zahlentripeln charakterisiert, wobei im Rahmen der Matrixformulierung (siehe Math.Kap. 3.2) der Äquivalenzpfeil als Gleichheitszeichen gewertet werden kann. Der Vektor kann in einem vorgegebenen Koordinatendreibein im Sinne der Komponentenzerlegung aus der Angabe des Zahlentripels rekonstruiert werden.

Abbildung 3.9: Zur Komponentenzerlegung

Die Komponentenzerlegung ist der Schlüssel zu der quantitativen Fassung der Vektorrechnung. Mit (benutze anstelle von etc. )


findet man für die einzelnen Rechenoperationen (Abb. 3.10)


Abbildung 3.10: Illustration zur quantitativen Vektorrechnung

Die Handhabung der beiden Produkte mit Vektoren ist nur wenig aufwendiger.

Um aufzuzeigen, in welcher Weise sich die beiden Produkte mit Vektoren zur Diskussion von geometrischen oder trigonometrischen Problemen eignen, sollen einige explizite Aufgaben angedeutet werden.


Abbildung 3.13: Anwendungen



Animation von Abbildung 3.13

Mit der Definition der Produkte aus zwei Vektoren ist die Möglichkeit gegeben, kompliziertere Produkte wie Dreier-, Vierer-, produkte zu betrachten. Ein öfter benutztes Produkt aus drei Vektoren ist das Spatprodukt, das durch


definiert ist. Das Spatprodukt, eine skalare Größe, stellt den Rauminhalt des Parallelflachs dar, das von den drei Vektoren aufgespannt wird (Abb. 3.14). Der Vektor steht senkrecht auf der Fläche, die von diesen beiden Vektoren aufgespannt wird und ist ein Maß für den Inhalt dieser Fläche. Die Projektion des Vektors auf den Vektor entpricht der Höhe des Parallelflachs, so dass die Behauptung aus der Formel Volumen= Grundfläche mal Höhe folgt. Das Volumen ist also[*]



bzw. in der Komponentenzerlegung


oder in der Kompaktform



Abbildung 3.14: Spatprodukt


Animation zu Abbildung 3.14

Anhand der Komponentenzerlegung (oder anhand einer mehr geometrischen Betrachtung) kann man nachprüfen, dass sich bei zyklischer Vertauschung der Reihenfolge der Vektoren der Wert des Spatproduktes nicht ändert. Bei antizyklischer Vertauschung tritt ein Vorzeichenwechsel auf


Das Spatprodukt beschreibt einen `orientierten` Rauminhalt des Parallelflachs.

Das Dreifachvektorprodukt


ergibt eine Linearkombination der Vektoren und , wobei die Koeffizienten der Linearkombination durch das Skalarprodukt der jeweils anderen Vektoren gegeben sind


Diese Zerlegung nennt man den Grassmannschen Entwicklungssatz. Zur Illustration des Beweises dieses Satzes soll die - Komponente des Vectors betrachtet werden. Es ist


(Auswertung des äußeren Vektorproduktes)


(Auswertung des inneren Vektorproduktes)


(nach Sortierung und Ergänzung)


Ein entsprechendes Resultat findet man für die anderen Komponenten des Vektors .

Weitere Produkte, wie z.B. die Viererprodukte



treten in der Mechanik (Physik) gelegentlich auf, sollen hier jedoch nicht diskutiert werden.

Die folgenden Ergänzungen in dem Abschnitt `Vektoren` stellen erste Bemerkungen zu Themenkreisen dar, die im Rahmen der Überschrift `Lineare Algebra ` angeschnitten werden können aber erst zu einem späteren Zeitpunkt ausgebaut werden. Sie betreffen zum einen die Erweiterung der Betrachtungen auf -dimensionale (Euklidische) Vektorräume, zum anderen die Frage nach schiefwinkligen Koordinatensystemen und deren Verallgemeinerung.


< Mechanik     Mathematische Ergänzungen >       R. Dreizler   C. Lüdde     2008