4.10 Das Streuproblem im Labor- und im Schwerpunktsystem

Ein Problem, das bei der Diskussion von Streuexperimenten zweier Massen (in der klassischen Mechanik) oder zweier Ladungen (in der Quantenmechanik) auftritt, ist die Verknüpfung von Experiment (im Laborsystem) und Theorie (im Schwerpunktsystem). Die in Kap. 4.1.3.2 gewonnene Rutherfordformel nimmt Bezug auf das Schwerpunktsystem. Um die theoretischen Aussagen über den differentiellen Wirkungsquerschnitt mit experimentellen Daten vergleichen zu können, ist eine Umrechnung notwendig, die in dieser Aufgabe vorgestellt wird. Diese Aufgabe ist ein `Muss` für jeden Physiker.

Aufgabenstellung

In einem Stoß- oder Streuprozess beobachtet man die Geschwindigkeiten (oder Impulse) von zwei Massen und (bei genügend großer Entfernung voneinander) vor (, ) und nach (, ) dem Stoß. Als Streuwinkel bezeichnet man z.B. den Winkel zwischen den Vektoren und (Abb. 1).



Abbildung 1: Der Streuwinkel aus der Sicht des Laborsystems


Bei der theoretischen Behandlung des Streuproblems bezieht man sich jedoch meist nicht auf dieses `Laborsystem`, sondern auf ein Koordinatensystem, das auf den Schwerpunkt bezogen ist. In diesem `Schwerpunktsystem` haben die Massen die Geschwindigkeiten , vor und , nach dem Stoß. Der Streuwinkel () ist hier der Winkel zwischen den Vektoren und . Es ist somit notwendig, die theoretischen Aussagen in dem Schwerpunktsystem in das Laborsystem umzurechnen (und umgekehrt).
(1)
Diskutiere die Kinematik des Streuproblems aus der Sicht des Schwerpunktsystems und gib die gewünschte Umrechnung der Streuwinkel an.

Detaillierte Anweisungen zu (1):
(a)
Definiere Schwerpunkt- und Relativkoordinaten. Beschreibe Position und Geschwindigkeiten der Massen aus der Sicht des Schwerpunktes.
(b)
Betrachte den Impulserhaltungssatz aus der Sicht der beiden Bezugssysteme und notiere die Konsequenzen der Impulserhaltung im Schwerpunktsystem.
(c)
Diskutiere die Relationen zwischen den Geschwindigkeiten der beiden Massen im Laborsystem und den Schwerpunkt- und Relativgeschwindigkeiten vor und nach dem Stoß. Betrachte die Konsequenz des Energieerhaltungssatzes im Fall eines elastischen Stoßes.
(d)
Diskutiere weiterhin nur den elastischen Stoßprozess für den Fall, dass die zweite Masse vor dem Stoß aus der Sicht des Laborsystems ruht (). Definiere die Streuwinkel aus der Sicht der beiden Koordinatensysteme für diesen Spezialfall. Finde eine Relation zwischen den beiden Streuwinkeln unter Benutzung des Sinussatzes. Bestimme die Auflösung nach jedem der beiden Winkel (bzw. trigonometrischen Funktionen dieser Winkel).
(2)
Diskutiere die expliziten Aussagen für das in Kap 4.1.3.2 besprochene Streuproblem, betrachte insbesondere den Fall vergleichbarer Massen und den Fall einer schweren Masse .
Werkzeuge:

Sinussatz:


Additionstheoreme:






Generelle Bemerkung
Da bei der folgenden Diskussion eine gute Zahl von Größen auftreten, ist es nützlich ein Glossar anzulegen. Bei der eigenständigen Lösung der Aufgabe ist das Glossar schrittweise zusammenzustellen. Hier wird die vollständige Liste der relevanten Größen und ihre Bezeichnung angegeben. Größen nach dem Stoß werden durch einen Strich (') gekennzeichnet, Größen vor dem Stoß sind ungestrichen. Nur die letzteren sind aufgeführt.

     Position der Masse im Laborsystem.
     Position der Masse im
      Schwerpunktsystem.
     Vektor der Relativkoordinaten.
     Vektor der Schwerpunktkoordinaten.
     Geschwindigkeit, Impuls der
      Masse im Laborsystem.
     Geschwindigkeit, Impuls der
      Masse im Schwerpunktsystem.
     Vektor der Relativgeschwindigkeit,
      Relativimpuls.
     Vektor der Schwerpunktgeschwindigkeit,
      Schwerpunktimpuls.



Abbildung 2: Schwerpunkt- und Relativkoordinaten


Deine Antworten:

Der Streuwinkel im Schwerpunktsystem ist durch die Relation

mit dem Streuwinkel im Laborsystem verknüpft.

          
Fragen zur schrittweisen Gewinnung der Lösung


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<Mechanik Aufgabensammlung>  R. Dreizler C. Lüdde     2008