4.3.1 Einfache Integrale von f(x,y)
Eine Funktion
ist über einem Bereich definiert (und stetig).
Mit dieser Funktion berechnet man das (bestimmte) Integral
Die Variable
wird während der Integration wie eine Konstante
behandelt. Die Integrationsgrenzen liegen im Innern des Definitionsbereiches
(Abb. 4.15a).
Abbildung 4.15:
Das Integral
 |
Die geometrische Deutung des Integrals ist einfach: Die Funktion
beschreibt die Schnittkurve der Fläche
mit
der Ebene
. Das Integral stellt dann den Inhalt einer
ebenen Fläche dar, die von der Strecke
in der
-
Ebene, der
Schnittkurve und den entsprechenden Parallelen zu der
-Achse begrenzt
ist. Es liegt das bekannte Integral vor, nur ist es in eine
dreidimensionale Welt eingebettet.
Für verschiedene
-Werte erhält man verschiedene
Schnittkurven und somit verschiedene Flächen. Man berechnet also nicht
nur eine Fläche, sondern eine ganze Schar von Flächen (Abb. 4.15b).
Ein konkretes Beispiel ist (Abb. 4.16)
Das Ergebnis kann man folgendermaßen veranschaulichen: Für
ist die Schnittkurve die Parabel
. Die Fläche unter der Parabel
(zwischen den Punkten 0 und 1 ) hat den Wert
(Abb. 4.16a).
Für
ist die Schnittkurve
. Die Fläche unter
dieser Kurve setzt sich zusammen aus dem Rechteck
und der
Fläche unter dem Parabelbogen (Abb. 4.16b).
Abbildung 4.16:
Integration unter einem Paraboloid
 |
Es besteht natürlich kein Grund, die
-Koordinate auszuzeichnen. Für
das Integral
lautet die entsprechende Interpretation: Es stellt die Fläche zwischen der
Schnittkurve von
mit der Ebene
dar.
Als ein weiteres Beispiel kann man für die Funktion
zwei Integrale
berechnen
(Setze
in dem zweiten Integral).
Unabhängig von der geometrischen Anschauung, ist das Ergebnis solcher
Integrationen eine Funktion von einer Veränderlichen, die über ein
Integral definiert (oder dargestellt) ist. Es gibt in der Tat höhere
Funktionen, die auf diese Weise definiert werden, wie z.B. die
elliptischen Integrale
Diese Funktionen treten bei der Diskussion verschiedener physikalischer
Probleme auf, so bei der Diskussion der Pendelbewegung für große
Ausschläge (Buch.Kap. 4.2.1) oder in der Kreiseltheorie (Buch.Kap. 6.3.5).
Diese Funktionen werden in dem nächsten Abschnitt gesondert diskutiert.
Zwei weitere, etwas einfachere Beispiele von Funktionen, die durch solche Integrale
dargestellt werden, sollen hier noch vorgestellt werden. Die erste Funktion
wird durch das Integral (Abb. 4.17)
definiert. Der Integrand ist für
stetig
Die Fläche, die durch den Integranden dargestellt wird, ist
einigermaßen kompliziert. Der Schnitt der Fläche mit einer Ebene
const. ist in der Abb. 4.17 dargestellt.
Abbildung 4.17:
Die Funktion
für
 |
Bei der Berechnung des Integrals muss man die Fälle unterscheiden:
Für
ergibt die Substitution
Der Wert ist einer Tabelle bestimmter Integrale entnommen. Für die
explizite Berechnung benötigt man den Cauchyschen Integralsatz aus der Analysis
im Komplexen.
Ist
, so folgt wegen
das Resultat
.
Im Fall von negativen
-Werten (
) erhält man mit der Substitution
Die Funktion
ist eine Sprungfunktion (Abb. 4.18). Die Funktion ist unstetig,
obschon der Integrand stetig ist und das uneigentliche Integral
konvergiert.
Abbildung 4.18:
Das Integral mit
definiert eine Stufenfunktion
 |
Das nächste Beispiel ist die vielbenutzte
-Funktion (Gammafunktion), die durch
das uneigentliche Integral
definiert ist (siehe auch Band 2, Math. Kap. 4.1).
Anhand der Definition gewinnt man z.B. die Aussagen:
- Das Integral für
ist einfach.
- Partielle Integration von
ergibt
Der erste Term verschwindet für
. Der zweite Term stellt die
Funktion
dar. Das Resultat ist also eine alternative
Definition (für
) in der Form einer Funktionalgleichung
Für ganzzahlige Werte von
folgt
Die Auswertung dieser Rekursion mit
ergibt
Die
-Funktion ist eine Verallgemeinerung des Begriffes `Fakultät`.
Hat man eine Funktion auf diese Weise durch ein bestimmtes Integral definiert,
so ist es nützlich, die Frage zu stellen, ob und wie man diese Funktion
differenzieren kann. Man beweist die folgende Differentiationsregel:
Man darf also (unter den genannten Voraussetzungen) Differentiation und
Integration vertauschen. Eine entsprechende Regel gilt für
Zur Illustration dieser Regeln kann das Beispiel
betrachten. Gemäß der Differentiationsregel gilt
so dass man bei partieller Integration in der Tat
erhält.
Man kann die Diskussion der Integration über eine der Variablen
erweitern, indem man Integrale der Form
betrachtet. Die Integrationsgrenzen sind keine Konstanten sondern Funktionen
von
(Abb. 4.19).
Sowohl die Funktion
als auch die Funktion
stellen
Kurven in der
-
Ebene dar. Bei der Integration über
ist das
Integrationsintervall (für jeden Wert von
) durch diese Kurven
begrenzt.
Abbildung 4.19:
Integration über
mit variablen Grenzen
 |
Als ein direktes Beispiel kann die folgende Vorgabe dienen. Die
Funktion
stellt ein umgestülptes Drehparaboloid dar.
Die variablen Integrationsgrenzen sind zwei Halbkreisbogen
Die berechneten Flächen, eingebettet in die dreidimensionale Welt, sind
in Abb. 4.20a-c für
und
dargestellt.
Abbildung 4.20:
Integration unter einem Paraboloid bei Begrenzung des Integrationsbereiches
durch Halbkreisbogen. Illustration des Integrals für verschiedene, feste Werte
von
.
 |
Die Auswertung des Integrals ergibt
Für Integrale mit variablen Grenzen muss man die Differentiationsregeln
erweitern. Man benötigt dazu die Aussagen
- (i)
- Aus der Kettenregel folgt
- (ii)
- Für die Ableitung nach den Integrationsgrenzen gilt
Daraus ergibt sich die erweiterte Differentiationsregel
Das Minuszeichen tritt infolge der Ableitung nach der unteren Grenze
auf. (Man überprüfe die Gültigkeit dieser Regel für das obige
Beispiel).
Integriert man über beide Variablen einer Funktion
,
so erhält man Doppelintegrale, die in dem nächsten Abschnitt näher
betrachtet werden.
< Mechanik Mathematische Ergänzungen > R. Dreizler C. Lüdde 2008