4.2.4 Das totale Differential
Für eine Funktion von zwei Veränderlichen
kann man den Zuwachs
der Funktion für zwei infinitesimal benachbarte Punkte der
-
Ebene durch
darstellen und in gewohnter Weise umschreiben
Mit dem Mittelwertsatz folgt daraus in linearer Näherung
Die lineare Näherung des Zuwachses bezeichnet man als das
erste totale Differential der Funktion
(Abb. 4.13).
Abbildung 4.13:
Zur Definition des totalen Differentials
 |
Eine geometrische Deutung dieses Ausdruckes gewinnt man, indem man die
Differentiale durch Differenzen (endliche Größen) ersetzt.
Die resultierende Gleichung
beschreibt eine Ebene durch den Punkt
.
Diese Ebene ist die Tangentialebene an die
Fläche
in dem Punkt
. Das totale
Differential (eine Funktion der vier Variablen
,
,
,
) stellt somit eine infinitesimale
Tangentialebene an die Fläche
dar.
Zusätzlich ist zu dem Begriff des totalen Differentials folgendes zu
bemerken.
- Die rechte Seite der obigen Definitionsgleichung kann man in der
Form schreiben
Den linear genäherten Zuwachs der Funktion für eine
infinitesimale Verschiebung
in beliebiger Richtung erhält man als das
Skalarprodukt von
mit
. Ein derartiger Ausdruck
Vektorfunktion mal (infinitesimaler) Verschiebung
spielt (mit der entsprechenden Vektorfunktion) in der Physik bei der Diskussion des
Arbeitsbegriffes eine Hauptrolle (siehe Buch.Kap. 3.2.3).
- Die Fehlerrechnung (z.B. im physikalischen Praktikum) basiert auf dem
Begriff des totalen Differentials. Für eine mit einer Funktion
angesprochenen Situation würde die Aussage gelten:
Zwei Messgrößen
,
bestimmen über den Zusammenhang
die Größe
. Interpretiert man die Differentiale
,
als
Messfehler, so ergibt sich aus dem totalen Differential die Aussage
Benutzt man die Dreiecksungleichung
, so folgt die Abschätzung
Diese Fehlerabschätzung ist nur sinnvoll, wenn die Messfehler
und
nicht zu groß sind. Man muss immer im Auge
behalten, dass die Basis für diese Abschätzung die lineare Näherung des
Zuwachses ist.
- Die Bezeichnung `erstes` totales Differential deutet an,
dass man totale Differentiale höherer Ordnung betrachten kann. Für den
Fall von Funktionen mit zwei Variablen lautet das zweite totale Differential
(man beachte, dass
und
unabhängige Größen sind)
Setzt man die Vertauschbarkeit der gemischt partiellen Ableitungen
voraus, so ergibt sich in zweiter Ordnung in den Differentialen
Mit dem zweiten totalen Differential nähert man die Fläche
durch
eine (infinitesimale) Tangentialfläche zweiter Ordnung.
Die Definition der totalen Differentiale kann man auch auf den Fall von
Funktionen mit
Variablen übertragen. Das erste totale
Differential einer Funktion
stellt den Zuwachs der Funktion in linearer Näherung dar. Die
geometrische Interpretation ist nicht sehr anschaulich. In Übertragung
der Situation für
würde man sagen: Diese Gleichung beschreibt die
(infinitesimale) tangentiale Hyperebene an die Hyperfläche
im
-dimensionalen Raum.
< Mechanik Mathematische Ergänzungen > R. Dreizler C. Lüdde 2008