Detail 6.9

Kreiseltheorie: Bewegung des freien symmetrischen Kreisels

Die Bewegung des freien, symmetrischen Kreisels wird durch die Differentialgleichungen (B6.160), (B6.161), (B6.166)

(6.9.1)
(6.9.2)
(6.9.3)

charakterisiert. Die ersten beiden Gleichungen ((6.9.1) und (6.9.2)) beschreiben die Erhaltung der generalisierten Impulse und , die letzte Gleichung (6.9.3) entspricht dem Energiesatz. Die drei (Integrations-)Konstanten , , sind durch die Anfangsbedingungen bestimmt. Die Differentialgleichung für den Winkel (6.9.3) führt auf das Integral

(6.9.4)

mit den Konstanten (siehe ((B6.167))

und der Variablen
Die in diesem Integral auftretende Funktion

(6.9.5)

stellt eine nach unten offene Parabel dar, da die Größe positiv ist. Die Nullstellen dieser Funktion


sind für einen physikalisch sinnvollen Satz von Anfangsbedingungen reell (dies erfordert ) und liegen in dem Intervall (Abb. 6.9.1). Die Nullstellen entsprechen den Grenzen innerhalb derer der Winkel bei der regulären Präzession aus der Sicht des raumfesten Koordinatensystems variiert.

Abbildung 6.9.1: Die Funktion

Für die Auswertung des (elementaren) Integrals (6.9.4) sind Fallunterscheidungen zu beachten. Die vorliegende Situation mit
führt auf das Ergebnis (siehe Integraltafeln)
Definiert man die Phase
die durch die Anfangsbedingungen festgelegt ist, so kann man das Ergebnis in der Form

(6.9.6)
bzw.
(6.9.7)
notieren.
Mit diesem Ergebnis kann man nun in die Differentialgleichungen (6.9.2) für und (6.9.1) für eingehen.

Für eine Anknüpfung an die Diskussion des freien symmetrischen Kreisels mittels der Eulergleichungen, beginnt man mit den Relationen (B6.140)

Auflösung dieses linearen Gleichungssystems in den Ableitungen der Eulerwinkel ergibt

Die spezielle Lösung (B6.156)
liefert über das Additionstheorem
 
(6.9.8)
 

mit den Anfangswerten
Die Anfangswerte für die drei Eulerwinkel können noch vorgegeben werden. Wählt man die Anfangszeit so, dass für
ist, so findet man für die Vorgaben in (B6.156)
sowie für die Rotationsenergie (B6.159)
Die Konstanten in der Funktion (6.9.5) und die Größen , in der Endformel für (6.9.6) können ebenfalls explizit durch die Anfangsgrößen ausgedrückt werden.


Damit sind alle Größen, die in die Lösung von (6.9.7) eingehen, durch die Anfangswerte , , sowie bestimmt. Die noch zu lösenden Differentialgleichungen für und lauten in der speziellen, gewählten Situation
Von Interesse ist auch die Betrachtung des (ansonsten trivialen) Kugelkreisels mit . Für einen Kugelkreisel sind die drei Drehgeschwindigkeitskomponenten im körperfesten System unabhängig von der Zeit
Da in dem Körper keine Lage der Koordinatenachsen ausgezeichnet ist, kann man das Koordinatensystem so wählen, dass
ist. Der Körper dreht sich um die `willkürliche` Figurenachse. Mit folgt aus den Gleichungen (6.9.8)
Diese Wahl des Koordinatensystems entspricht bei Anwendung der Lagrangeformulierung der Forderung
Die Lösung einer Differentialgleichung für entfällt, es bleibt
Die Drehung um die -Achse, die identisch mit der -Achse ist, ist uniform. Bei einer Wahl des körperfesten Koordinatensystems, bei der die Drehachse und eine der Hauptachsen nicht zusammenfallen, unterscheidet sich die Diskussion des freien Kugelkreisels über die Lagrangeformulierung nur wenig von der des freien symmetrischen Kreisels.


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<Mechanik   Details >  R. Dreizler C. Lüdde     2008