4.3.2 Doppel- und Bereichsintegrale von f(x,y)

Ausgangspunkt ist das Integral


wobei vorausgesetzt wird, daß die Funktion durch Integration über eine zweite Variable gewonnen wurde


Es liegt ein Doppelintegral vor. Mit diesem Integral berechnet man ein Volumen, dessen Grundfläche ein Rechteck in der - Ebene ist. Von oben wird das Volumen durch die Fläche begrenzt. Die Seitenflächen sind eben (Abb. 4.21).

Abbildung 4.21: Integration über einen Rechteckbereich: Darstellung des Integrals

Die Form des Integrals deutet an, wie dieses Volumen berechnet wird: Man berechnet zunächst die Fläche (innere Integration), bildet dann die infinitesimalen Scheibchen und addiert diese zu dem Gesamtvolumen (äußere Integration) (Abb. 4.22a). Es bestehen weitere Möglichkeiten, dieses Volumen zu unterteilen. Die zweite Möglichkeit wird durch die folgende Schreibweise ausgedrückt


Hier berechnet man zuerst Flächen parallel zur - Ebene, bildet infinitesimale Scheibchen in der -Richtung und addiert diese (in einem Grenzprozess, Abb. 4.22b).

Abbildung 4.22: Integration über einen Rechteckbereich

Man würde erwarten, daß ist. Die mathematischen Voraussetzungen für die Vertauschbarkeit der beiden Integrationen lautet: muss über dem Integrationsbereich bis auf endlich viele Unendlichkeitsstellen beschränkt sein:


Eine dritte Berechnungsmöglichkeit wird durch die Schreibweise angedeutet


wobei die bei den anderen Optionen benutzte Grundfläche, ein Rechteck, bezeichnet. Für dieses Bereichsintegral betrachtet man die folgende Unterteilung des Volumens: Man unterteilt den Integrationsbereich in infinitesimale Rechtecke und berechnet für jedes dieser Rechtecke das Volumen einer Säule (Abb. 4.23)


Die Summe der Beiträge dieser infinitesimalen Säulen ergibt im Grenzfall das Volumen.

Abbildung 4.23: Integration über einen Rechteckbereich: Aufteilung in infintesimale Säulen

In Erweiterung des oben angedeuteten Theorems gilt , falls , wie angegeben, über dem Bereich beschränkt ist. Diese Aussage hat durchaus praktische Bedeutung. Im Allgemeinen ist die Berechnung des Bereichsintegrals nur möglich, wenn man es auf ein Doppelintegral (mit zwei gewöhnlichen Integrationen, die hintereinander ausgeführt werden) zurückführen kann.

Das folgende Beispiel mit der Vorgabe


illustriert die einzelnen Rechenschritte. Der Integrationsbereich ist ein Rechteck um den Koordinatenursprung. Das Integral stellt das Volumen zwischen der Rechteckfläche und dem Drehparaboloid dar (Abb. 4.24). Die Rechnung kann z.B. in der folgenden Weise durchgeführt werden



Man erhält das gleiche Resultat, wenn man die Reihenfolge der Integrationen vertauscht.

Abbildung 4.24: Integration über ein Rechteck unter einem Drehparaboloid

Der nächste Schritt ist die Berechnung von Volumina über einem beliebigen Grundbereich. Zu diesem Zweck betrachtet man zuerst die Integrale


bzw.


In dem ersten Fall ist der Integrationsbereich von den Geraden und , sowie den Kurven und begrenzt (Abb. 4.25a). Das Integral stellt das Volumen zwischen dieser ebenen Fläche in der - Ebene und der Fläche über diesem Bereich dar. In dem zweiten Fall wird der Integrationsbereich von den Kurven , und den Geraden bzw. begrenzt (Abb. 4.25b). Die Integrationsbereiche der Integrale und sind im Allgemeinen verschieden. Deswegen ist auch . Im ersten Fall ist es am günstigsten, den Integrationsbereich in Scheibchen parallel der -Achse zu zerlegen, im zweiten Fall in Scheibchen parallel der -Achse. Unabhängig von der Zerlegung schreibt man für die beiden Integrale auch


wobei die Art der Zerlegung in ein Doppelintegral sich aus der Vorgabe des Bereiches ergibt.

Abbildung 4.25: Integrationsbereiche mit variablen Grenzen

Die obigen Integrale decken auch den allgemeinen Fall eines Grundbereiches, der nur von krummlinigen Kurven begrenzt ist, ab.

Die folgenden Beispiele vermitteln einen Eindruck von den Möglichkeiten für die Vorgabe von allgemeineren Integrationsbereichen. Das erste Beispiel ist eine Kreisfläche mit Radius um den Koordinatenursprung. Die folgenden Zerlegungen sind möglich:


Dies entspricht der Zerlegung in Streifen parallel zur -Achse. Die Grenzkurven sind Halbkreise in der oberen und unteren Halbebene (Abb. 4.28a). Ist der Integrand beschränkt, so gilt auch



Abbildung 4.28: Integration über eine Kreisfläche

Hier benutzt man eine Zerlegung in Streifen parallel zu der -Achse und addiert alle Scheibchenbeiträge zwischen und in der -Richtung (Abb. 4.28b).

Eine ganz konkrete Aufgabe ist die Berechnung des Volumens eines Zylinders mit einem paraboloidförmigen Deckel, der durch die Funktion und den Radius charakterisiert wird. Dieses Volumen ist



wie schon berechnet. Die bei der zweiten Integration auftretenden Integrale sind oft kompliziert. Gemäß den Integraltafeln ergeben die noch anstehenden Integrale



Für die vorliegenden Grenzen tragen nur die Terme mit bei. Wegen ist das Endergebnis


Dies entspricht dem Zylindervolumen plus dem Volumen der paraboloidförmigen Kappe .

In dem zweiten Beispiel ist der Mittelpunkt einer Kreisfläche mit Radius der Punkt . Bei einer Zerlegung in Streifen parallel zur -Achse erhält man


Das dritte Beispiel ist ein Dreiecksbereich zwischen den Punkten , und . Wählt man wieder die -Integration als innere Integration (Abb. 4.29), so lautet das Doppelintegral



Abbildung 4.29: Integration über einen Dreiecksbereich

Für einen Kreisring (Beispiel 4) mit den Radien und um den Koordinatenursprung gibt es die folgenden Optionen. Ist die Funktion auch über dem Innengebiet des Kreisringes definiert und beschränkt, so ist die Zerlegung einfach (Abb. 4.30a)


Zur Berechnung der Integrale über die beiden Kreisflächen benutzt man das erste Beispiel. Ist die Funktion in dem Innengebiet jedoch nicht definiert oder dort nicht beschränkt, so ist eine Aufteilung des Ringes in Teilbereiche notwendig. Wie in Abb. 4.30b angedeutet, muss man den äußeren Kreisring in die Beträge


den inneren entsprechend in


aufteilen

Abbildung 4.30: Integrationsbereiche bei der Integration über einen Kreisring



Zwei zusätzliche Punkte sind zu der angedeuteten Volumenberechnung noch anzumerken:

(1)
Ist die Funktion über dem gesamten Grundbereich kleiner als Null, so ist das berechnete Volumen negativ (wie es auch für Flächen bei der Integration von Funktionen der Fall sein kann).


(2)
Mit Hilfe der Bereichsintegrale kann man auch den Flächeninhalt der Grundfläche berechnen. Setzt man , so ist


Einige Beispiele sind
(i)
Kreisfläche um Ursprung:



(ii)
Kreisfläche um :


(iii)
Dreiecksfläche in dem oben angegebenen Beispiel:


(iv)
Kreisring:


da die Funktion in dem gesamten Gebiet beschränkt ist.

Folgende Rechenregeln wurden bei den Rechnungen zu den obigen Beispielen benutzt:



Sie entsprechen den Regeln der einfachen Integration und folgen direkt aus der Definition des Bereichsintegrals. Etwas ausführlicher muss man sich mit der Erweiterung der Substitutionsregel auseinandersetzen. Anwendung dieser Regel kann, wie das folgende Beispiel zeigt, die Auswertung von Bereichsintegralen vereinfachen.

Der Integrationsbereich soll eine Kreisfläche um den Koordinatenursprung sein. Bei der Benutzung von kartesischen Koordinaten zerlegt man die Kreisfläche in infinitesimale Rechtecke . Für eine Kreisfläche bietet sich jedoch eine Zerlegung mit Hilfe von Polarkoordinaten, d.h. eine Aufteilung der Fläche durch Strahlen und konzentrische Kreise (Abb. 4.31), an.


Abbildung 4.31: Aufteilung einer Kreisfläche mit ebenen Polarkoordinaten

Ein infinitesimales Flächenelement hat dann die Größe . Substituiert man in dem Integranden


bildet die infinitesimalen Volumina


und addiert alle Beiträge im Sinne des üblichen Grenzprozesses, so erhält man das gleiche Volumen wie zuvor in der Form


Die Indizierung entspricht der Angabe des Bereiches in Polarkoordinaten. Man bildet die gesamte Kreisfläche ab, wenn man als Integrationsgrenzen ansetzt


Trägt man die krummlinigen (orthogonalen) Koordinaten in kartesischer Weise auf, so ist das Abbild der Kreisfläche (der Bereich ) ein Rechteck (Abb. 4.32).

Abbildung 4.32: Das Bild eines Kreises in ebenen Polarkoordinaten

Bei der Benutzung von Polarkoordinaten wird dieses Rechteck durch ein Rechtecknetz unterteilt und man kann (Beschränktheit des Integranden vorausgesetzt) das Bereichsintegral als Doppelintegral auswerten



Hier erkennt man den Vorteil der Variablensubstitution: Bei dem Übergang zu Koordinaten, die der Umrandung angepasst sind, sind die Integrationsgrenzen konstant und die Ausführung der Doppelintegration wird im Allgemeinen einfacher.

So faktorisiert das Doppelintegral in den folgenden Beispielen vollständig, da der Integrand nur von der Abstandsvariablen abhängt.

Berechnung der Kreisfläche ():


Berechnung des Volumens einer Halbkugel ( ):


Die Diskussion der allgemeinen Substitutionsregel ist etwas langatmiger. Die Kernpunkte kann man folgendermaßen zusammenfassen.

Ein Bereich der - Ebene soll mit einem Satz krummliniger Koordinaten


überdeckt werden, so zum Beispiel durch die Koordinaten



Die Kurven const. sind Ellipsen, die Kurven const. sind Halbgeraden (Abb. 4.33).

Abbildung 4.33: Mögliche Aufteilung einer Ellipsenfläche

Für jeweils zwei infinitesimal benachbarte Kurven const. und sowie const. und wird die Fläche zwischen diesen vier Kurven in linearer Näherung berechnet (Abb. 4.34a). In der linearen Näherung ist diese Fläche ein (unregelmäßiges) Viereck. Die Koordinaten der Eckpunkte sind



Zur Berechnung der Vierecksfläche benutzt man eine Aufteilung der Fläche in zwei Dreiecke (zum Beispiel wie in Abb. 4.34b) mit den Formeln



wobei die Vektoren die Vektoren zu den vier Eckpunkten darstellen.

Abbildung 4.34: Zur infinitesimalen Unterteilung eines zweidimensionalen Bereiches in beliebigen, krummlinigen Koordinaten

Da nur der Betrag des Flächenelementes und nicht die Orientierung des Flächenvektors interessiert, genügt


Setzt man die oben angegebenen Koordinaten der Eckpunkte ein, so erhält man


Den Absolutwert kann man als Absolutwert einer Determinante schreiben.


Diese Determinante bezeichnet man als Funktionaldeterminante der Transformation , . Mit dieser Definiton erhält man (analog zu den Argumenten im Fall der Polarkoordinaten) die Substitutionsregel



Diese Regel entspricht einer Übertragung der Substitutionsregel der gewöhnlichen Integration


(1)
Die Erweiterung der einfachen Substitution


Das Betragszeichen tritt auf, da die Reihenfolge der Koordinaten unwesentlich ist, die Determinante bei der Vertauschung von zwei Zeilen (oder Spalten) aber ihr Vorzeichen ändert. Das Vorzeichen entspricht geometrisch den zwei möglichen Orientierungen des infinitesimalen Flächenelementes.

(2)
Die Substitution des Integranden bedarf keiner Diskussion.

(3)
Die Änderung der Integrationsgrenzen entspricht der Änderung des Bereiches. ist das Bild des ursprünglichen Bereiches in der - Ebene (Abb. 4.35). Dem Bild des Bereiches kann man die Integrationsgrenzen für die Doppelintegration entnehmen. Die Substitution ist vor allem dann nützlich, wenn der Bildbereich ein Rechteck ist.

Abbildung 4.35: Zur Abbildung von Bereichen

Das folgende Beispiel soll die Anwendung der Substitutionsregel erläutern.

Der Integrationsbereich ist die Ellipsenfläche


Die Aufgabe soll sein: Berechne durch Integration über diesen Bereich die Fläche der Ellipse und das Volumen eines halben Ellipsoides mit den Halbachsen (Abb. 4.36), also das Bereichsintegral mit den Funktionen



Abbildung 4.36: Ellipsenfläche und Ellipsoid

Bei der Substitution


ist das Bild von ein Rechteck in der - Ebene mit den Seitenlängen und . Die Funktionaldeterminante ist


Somit berechnet man



und




< Mechanik     Mathematische Ergänzungen >       R. Dreizler   C. Lüdde     2008