1.3.3.3 Begründung der Taylorformel.
Die Frage nach der Gültigkeit des Gleichheitszeichens bei
der Potenzreihenentwicklung kann nun folgendermaßen beantwortet werden.
Die obigen Ausführungen besagen, dass
eine Potenzreihe
für jedes
innerhalb des Konvergenzintervalls einen endlichen Summenwert ergibt, die
Summenfunktion
. Diese Aussage ist unabhängig von der Weise,
in der die Koeffizienten gewonnen wurden. Der springende Punkt ist dann das
Theorem (etwas abgekürzt formuliert)
Der etwas längliche Beweis besteht in den Schritten
- (i)
- Zeige, dass die Reihe
den
gleichen Konvergenzradius hat wie die Reihe
.
- (ii)
- Zeige, dass
die Ableitung von
ist, d.h.
Dieses Theorem liefert die Begründung der Taylorformel
Da diese auf gliedweiser Differentiation beruht, ist gemäß dem Theorem
sichergestellt, dass für alle
innerhalb des Konvergenzradius
die Funktion
durch die Reihe dargestellt wird.
Zum Abschluss dieser komprimierten Diskussion der Reihenentwicklungen
folgen noch drei Bemerkungen:
1. Die Aussagen über die Reihenentwicklung um die Stelle
, kann man
sinngemäß auf den Fall einer Entwicklung um die Stelle
übertragen.
So ist z.B. der Konvergenzradius für die Reihe
durch
bestimmt.
2. Mit konvergenten Potenzreihen kann man fast wie mit Zahlen rechnen.
So gilt z.B. für die Multiplikation: Ist
und
so gilt innerhalb des gemeinsamen Konvergenzintervalls
Diese Rechenregeln ermöglichen es, Reihenentwicklungen für Funktionen zu
gewinnen, für die eine direkte Anwendung der Taylorformel etwas mühselig
ist. Die oben diskutierte Reihe für die Tangens-Funktion gewinnt man z.B.
zweckmäßigerweise über den Ansatz
Man sortiert dies in der Form
setzt die Reihenentwicklungen für
und
ein und multipliziert
die beiden Reihen auf der rechten Seite Term für Term. Durch
Vergleich der Faktoren von
gewinnt man Rekursionsformeln für die
Koeffizienten
. Da
für
den Wert Null hat, ist der Konvergenzradius
der
-Reihe
.
3. Ein weiterer Typ von Reihen, der in der Physik von Interesse ist, sind
Funktionenreihen
Hier bestehen die einzelnen Terme aus Funktionen, die auf
irgendeine Weise den natürlichen Zahlen zugeordnet sind. Ein Beispiel für
diesen Typ von Reihen sind die Fourierreihen, die im nächsten Abschnitt
etwas eingehender besprochen werden.
Es ist offensichtlich, dass Funktionenreihen das allgemeine Konzept
darstellen. Wählt man speziell
, so erhält man die
Potenzreihen als Spezialfall. Setzt man entweder in einer
Funktionenreihe oder in einer Potenzreihe einen speziellen Wert für die
Variable
ein, so erhält man eine numerische Reihe.
< Mechanik Mathematische Ergänzungen > R. Dreizler C. Lüdde 2008