1.3.1 Taylorreihen
Zur Motivation dieses Themas kann man sich vorstellen, dass man eine Funktion
(siehe Abb. 1.13) in der Umgebung der Stelle
näherungsweise
angeben möchte.
Abbildung 1.13:
Einfache Näherung von
an der Stelle
 |
Die einfachste Näherung ist die Näherung durch eine Gerade. Man ersetzt die
Kurve durch die Tangente an die Kurve
in dem Punkt
Der Achsenabschnitt der Geraden ist
,
ist deren Steigung.
Diese Näherung ist im Allgemeinen umso schlechter, je weiter man von dem
Punkt
entfernt ist. Eine Möglichkeit, die Näherung zu verbessern,
besteht darin Kurven höherer und höherer Ordnung heranzuziehen
In Abkürzung schreibt man dies
Dies wäre die Näherung der Funktion durch ein Polynom
-ten Grades.
In der Hoffnung, dass die Funktion immer besser dargestellt wird, wenn
man immer weitere Terme hinzunimmt, gelangt man in dem Grenzfall
zu dem Potenzreihenansatz
Dieser Ansatz wirft einige Fragen auf:
- (i)
- Wie bestimmt man die Koeffizienten
der Potenzreihe für
eine vorgegebene Funktion
?
Neben dieser mehr praktischen Frage muss man jedoch auch die prinzipiellere
Frage im Auge behalten:
- (ii)
- Beinhaltet der Grenzfall
irgendwelche
Tücken? (Wird die Näherung wirklich besser, so dass im Endeffekt das
Gleichheitszeichen gerechtfertigt ist?)
Die praktische Frage lässt sich relativ einfach beantworten: Wenn man
voraussetzt, dass die Funktion
beliebig oft differenzierbar ist,
kann man die Frage (i) wie folgt angehen.
Setze in dem Ansatz
und erhalte
.
Differenziere den Ansatz einmal
setze in diesem Ausdruck
und erhalte
.
Differenziere den Ansatz zweimal
und erhalte
Wiederholt man den Prozess noch einmal
mit dem Resultat
so übersieht man (spätestens) an dieser Stelle das allgemeine Ergebnis
Man kann dieses Ergebnis auch mit einem strengen Induktionsschluss
untermauern, doch soll auf diese Feinheit verzichtet werden.
Die Potenzreihe lautet somit
oder in der üblichen Summenschreibweise
Eine solche Reihe bezeichnet man als die Taylorentwicklung
der Funktion
um die Stelle
.
Die obige Betrachtung hat leider einen kleinen Haken.
Der Reihenansatz wurde bedenkenlos gliedweise differenziert. Für
ein Polynom ist dies ohne Zweifel erlaubt. Ob dies auch für eine
unendliche Reihe erlaubt ist, ist genau der Inhalt der zweiten Frage,
die oben gestellt wurde. Man kann diese Frage etwas umformulieren:
Geht man von der Taylorentwicklung aus, so stellt sich
die Frage, inwieweit das Gleichheitszeichen gerechtfertigt werden kann.
Zumindest aber sollte man fragen: Für welchen Bereich von
-Werten
kann man das Gleichheitszeichen garantieren?
Die Antwort auf diese Frage wird noch einige Zeit zurückgestellt.
Zunächst sollen, ohne Rücksicht auf eventuelle Feinheiten, einige
Beispiele für solche Taylorreihen betrachtet werden.
Unterabschnitte
< Mechanik Mathematische Ergänzungen > R. Dreizler C. Lüdde 2008